Auf dem Weg nach Champ Is. herrscht dicker Nebel. Nachdem wir die vorausfahrende PETR 1 schon einmal verloren haben, bleiben wir nun dicht dran. Ohne GPS und Radar würde hier gar nichts gehen. Der Kompass zeigt immer etwa Nord an, egal in welche Richtung wir fahren. Vermute, dass er eingefroren ist oder so. Wenn man dann noch im Slalom um das Eis herum fährt ist es kaum möglich Kurs zu halten und die Orientierung zu behalten. Freue mich, als wir PETR 1 wieder gefunden haben und sie mit Hilfe ihrer elektronischen Karte uns bequem und sicher durch das undurchsichtige Weiss führen. Zeitweilig ist der Nebel so dicht, dass wir zu zweit Ausschau nach Eis halten müssen. Die kleinen Brocken machen dem Rumpf zwar nichts aus, aber es scheppert, wenn sie an der Bordwand entlang schrammen und ich habe Angst um den Propeller. Nach Wachende bleibe ich gleich auf, da wir eigentlich bald ankommen müssten. Wir fahren an der Südseite noch etwas auf und ab, warum auch immer.
Dabei stossen wir auf die vor der Küste ankernde “50 let Probedy”. Sie ist mit 124 Passagieren an Bord auf dem Rückweg vom Nordpol nach Murmansk und macht hier kurz stop. Wir lassen uns wieder treiben und fahren mit den Dinghys rüber. Obwohl es 5 Uhr früh ist (Bordzeit auf dem Atomeisbrecher ist 3 Uhr) stehen einige Gestalten an Deck und winken uns freudig zu. Gleich als erstes treffen wir Birgit Lutz, eine waschechte Poliarnitsa. Wir lesen gerade ihr Buch “Unterwegs mit wilden Kerlen. Eine Frau erobert die Arktis”. Ihr verdanken wir, dass wir kurzerhand eingeladen wurden. SIe zeigt uns das Schiff, wir schauen auf der Brücke vorbei, sagen dem Captain hallo und können duschen. Toll! In der Arktis freut man sich, andere Menschen zu treffen und hilft sich gegenseitig.
Zureck auf den Yachten geht es gleich weiter. Schlafen fällt diese Nacht damit aus für mich. Auf Champ Island schaün wir uns kugelrunde Steine, so genannte Geoden an. Ein interessantes, hübsch an zu sehendes Naturphänomen. Danach fahren wir nach Hayes. Im Wasser und an Land tummeln sich zahlreiche Walrosse. Beim übersetzen mit den Dinghys müssen wir vorsichtig sein. Es gibt dann etwas Diskussionen, da der Ranger uns nur auf einige Hundert Meter Entfernung an eine an Land liegende Gruppe Walrosse heran lassen will. Einige der Petr 1-Passagiere protestieren. Schliesslich wird abgemacht, dass Elliot, der Journalist etwas dichter heran darf und Aufnahmen macht, die er auch an uns weitergeben wird. Mir reicht der Blick aus der Ferne völlig aus, diese riesigen Tiere sind beängstigend.
Nächster Stop ist die Krenkelstation an der Nordostseite der Insel. 2001 wurde diese letzte zivile Station nach einem Brand geschlossen. 2004 wurde ein neues Gebäude errichtet und seitdem ist die Station dauerhaft mit 5 Personen besetzt, die hier Klimadaten erfassen. In Hochzeiten haben hier damals bis zu 200 Personen gelebt und gearbeitet. Jetzt macht der Ort einen traurigen Eindruck. Noch immer liegt viel Schrott herum, die alten Gebäude zerfallen. Entsetzt hören wir, dass es letztes Jahr im September einen tödlichen Unfall gab, als ein Eisbär nur 150 m vom Stationsgebäude entfernt einen Stationsmitglied bei der Arbeit angegriffen hat.
Am Abend fahren wir weiter zum Kap Tegetthoff auf der Hall Insel. Die Felsformationen sind beeindruckend. Eigentlich wollten wir hier etwas länger bleiben, doch Captain Daniel hat festgestellt, dass ihm die Zeit fehlt. Er muss mit dem Ranger erst nochmal in die Tykhaya Bay und dann nach Alexandraland. Wir wollen ohnehin von hier aus starten. Bis Ende der Woche wollen bzw. müsen alle in Murmansk sein. Wir verschieben also den geplanten Borschtsch-Contest (Orignal russisch auf Petr 1 und von mir ein Rezept mit Orangen, das wir in Berlin mal ausprobiert haben) auf Murmansk. Der geplante Landgang fällt dann auch noch aus, da an Land ein Eisbär gesichtet wird. Mit den Dinghys fahren wir dichter heran und machen Fotos. Der Bär liegt nun am Hang und schläft, trotzdem ist es besser ihm sein Revier zu überlassen. Alexander, der Ranger, sagt mir ich solle einfach nächstes Jahr wieder kommen. So ist das halt, er grinst.
Wir machen klar Schiff, tanken noch etwas Diesel und gegen 7 Uhr ist es so weit. PETR 1 bricht auf, wir lassen uns noch etwas treiben und frühstücken, fahren dann Richtung Süden. Schon bald können wir Segel setzen und gleiten nun gemächlich mit 4 kn durch den wie immer dichten Nebel. Draussen ist es kalt, in der Kajüte gut geheizt und gemütlich. Uli hat an meiner Stelle die erste Wache übernommen und ich habe endlich 3 1/2 Stunden geschlafen. Fühle mich nach einem leckeren Kaffee wie neu geboren.
Die Wetterprognose ist ganz gut. Zitat Reinhard: “Sturm und echten Starkwind wird es wohl nicht geben. Wahrscheinlich ist es am besten, den direkten Weg zu wählen und zig Stunden mt Motor zu fahren.” Wir können noch nicht direkten Kurs anliegen, aber immerhin segeln. Der Dieseltank ist fast voll und es liegen diesmal nur gut 700 sm vor uns. Wir freuen uns nun erstmal auf ein paar schöne Segeltage und stetig steigende Temperaturen.